Ein Schwergewicht fehlt noch
Als begeisterte Taucher und Fans aller Meeresbewohner haben wir rund um den Globus schon relativ viel unternommen, um den Größten von ihnen so nah wie möglich zu kommen und mit den Giganten der Meere in ihrem Lebensraum zu schwimmen. Meeresschildkröten, Riffhaie verschiedener Arten, Mantas, Walhaie und zuletzt das beeindruckende Schwimmen mit den Buckelwalen in Tonga. Eine Begegnung fehlt jedoch seit jeher. Vielleicht bislang auch ganz gut so, denn dieses Treffen sollte – egal wie und wo – doch unter kontrollierten Bedingungen und nicht schutzlos mitten im Ozean stattfinden: The Great White Shark.
Cagediving with Great Whites
Lange vorgenommen, haben wir uns nun in Südaustralien, genauer in Port Lincoln, dem Ort der Orte für Cagediving in Australien, endlich durchgerungen und uns für einen Anbieter entschieden. Die Auswahl ist nicht groß, doch das Anfüttern von Weißen Haien an Käfige konnten wir nie gutheißen, weshalb wir entsprechende Unternehmen bislang auch gemieden haben. In Port Lincoln gibt es zwei Anbieter. Einerseits „Calypso Charters“, die die Haie mit „Bait“ (einer Art Fischsuppe) an den Kafig locken und hierfür wohl lizensiert sind. Einen ganz anderen Weg hierzu beschreiten „Adventure Bay Charters“. Der Schlüssel zum Erfolg? Rock-Musik! Klingt lustig, soll letztlich jedoch genauso effektiv sein, wie ein Anfüttern. Die Musik wird mit ordentlich Dezibel über Lautsprecher ins Wasser geblasen. Dazu werden Bojen mit rasselnden und klappernden Elementen auf die Wasseroberfläche geschlagen, was den größten aller Räuber aus den Tiefen an die Oberfläche und zum Käfig locken soll. Im Internet können die täglichen „Erfolgsquoten“ abgerufen oder telefonisch erfragt und miteinander verglichen werden. Wir finden diese tierfreundliche Variante des Anlockens sehr sympathisch und wollen der ganzen Sache eine Chance geben.
The North and South Neptune Islands
Das Wetter hätte am heutigen Sonntag tatsächlich besser sein können. 6.00 Uhr morgens an der Jetty haben wir 13 Grad. Wir starten bei aufgehender Sonne. Das Thermometer steigt aber auch bis Mittag nicht über 18 Grad. Allerdings haben wir weniger Wind als in den vergangenen Tagen, die durchaus mit Böen bis 75 km/h aufwarteten.
Der Ozean ist dennoch vor allem auf der Hinfahrt zu den Neptune Islands rau, die Wellen hoch und 3en der insgesamt 12 Cagedivern geht es auf hoher See nicht so gut. Darunter leider auch mal wieder Phillipp. Trotz 2×2 VomexA Reisetabletten ist bei diesem Wellengang nicht viel zu retten. Und so ist die 2 1/2 stündige Bootsfahrt nach Süden in den Marine Park um die Neptune Islands tatsächlich ein wenig ein Geduldsspiel für ihn.
Klar ist jedoch jedem an Board: weiße Haie findet man eher nicht in Riffen. Die meisten sicheren Gebiete, weiße Haie in ihrem natürlichen Lebensraum antreffen und beobachten zu können, sind eben ihre Jagdgebiete und die liegen nicht im badewannenwarmen Foreshore-Bereich.
Die Neptune Islands befinden sich gut 2 1/2 Stunden (per Boot) südlich von Port Lincoln in der Australischen Bucht am Eingang zum Spencer Gulf. Die beiden Inselgruppen sind für ihre Populationen an New Zealand Fur-Seals und Australian Sea Lions bekannt, was sie auch zum Jagdgebiet der großen, weißen Haie macht. Das Käfigtauchen ist ankernd vor den Neptune Islands relativ erfolgreich. Haibegegnungen werden als sehr wahrscheinlich beschrieben, was die in Port Lincoln ansässigen Cagediving Charters auch konsequent hierher fahren lässt. Meistens ankern beide Unternehmen im Laufe des Tages auch nebeneinander, wodurch die Trefferquote (ob nun mit „Bait“ oder Rockmusik) annähernd identisch ist. Denn befindet sich ein Weißer Hai in der Nähe, scannt er in der Regel alle „interessanten“ Geschehnisse an der Wasseroberfläche.
Zuvor geht es jedoch erst einmal zu den Australian Sea Lions, eine in Australien endemische Seelöwen-Art, deren Bestand stark dezimiert ist. Wir schwimmen im offenen Ozean an einer sehr steinigen Küste mit den äußerst niedlichen Tieren, die Pirouetten drehend und um uns tanzend fast völlig angstfrei zu sein scheinen. Der Respekt ist anfänglich eher auf unserer Seite, haben wir doch nur noch gut 1 Stunde von hier entfernt vor, mit dem natürlichen Fressfeind zu tauchen. Die Crew beruhigt uns allerdings. Ein Zusammentreffen mit einem Weißen Hai habe es bei den „Encountern“ mit den Australian Sea Lions noch nie gegeben. Selbiges gelte für Tiger und Bull Sharks. Na wie beruhigend! Jagen gerade die beiden letztgenannten doch so gern küstennah! Aber gut, wir wollen ja nicht rumjammern. Also Kaltwasser-Equipment an und rein ins Wasser. Das erste Eintauchen in ca. 14-15 Grad kaltes Wasser nimmt einem im wahrsten Sinne des Wortes kurzzeitig den Atem. Vor allem, wenn man dann natürlich den Kopf unter Wasser nehmen muss, um etwas zu sehen. Für Sophie war es trotz zweier übereinander gezogener Taucheranzüge tatsächlich zu kalt, weshalb sie (auflagenwidrig und höchst ausnahmsweise) auf die vorgelagerten Felsen gesetzt wurde, von wo aus sie die Robben in der Sonne beobachten konnte.
Schwimmen mit Australian Sea Lions: ein tolles Erlebnis! Unser Video findet ihr hier.
No sightings
Nach diesem kalten, aber sehr amüsanten Erlebnis geht es mit heißem Kakao und dicken Decken an Board der „Shark Warrior“ noch ca. 1 1/2 Stunden weiter gen Süden zu den Neptune Islands. Der Jäger soll angelockt werden.
Doch um das Ergebnis unserer Tour vorwegzunehmen: „That`s just wildlife!“ Der Satz von Matt hallt immer noch nach. The Great White ließ sich nicht blicken – weder vormittags in den South Neptune Islands, noch in den North Neptune Islands, zu denen wir nach dem lunch on board wechselten. Trotz 20-25 minütigem, tauchendem Ausharren im Haikäfig in 14-15 Grad kaltem Wasser bei ca. 18-19 Grad Außentemperatur… der König der Haie blieb in den Tiefen verborgen.
Und wir? Wir sind natürlich enttäuscht, sehr enttäuscht. Wenn man sich einmal gedanklich auf diese Extremsituation vorbereitet hat, fast 3h in kalte Gewässer aufbricht und im 7mm-Neopren mit Atemgerät seine Füße am Boden eines Haikäfigs einhakt, will man eben am Ende des Tages auch nicht erfolglos wieder in den Hafen einlaufen. Die Tour ist aufwendig und ziemlich kostspielig, das Aus- und Anziehen nasser 7mm-Neoprens samt Haube und Tauchschuhen anstrengend und mit unendlich viel Frieren verbunden. Alle an Board sind beim Auslaufen freudig angespannt, manche vielleicht sogar dezent nervös. Und irgendwann, nach Stunden des Wartens und Beobachtens im Jagdgebiet an Deck der „Shark Warrior“, im Sub oder (so lange man es eben aushält) auch mit Atemgerät im Käfig unter Wasser, muss entschieden werden den Tag abzubrechen, da die Rückfahrt über unruhiges Wasser weitere 2 1/2 Stunden in Anspruch nehmen wird.
Die Stimmung an Board war auf der Rückfahrt geknickt. Es gab nochmal eine Stärkung, gesprochen wurde eher wenig. Die meisten haben geschlafen.
Kleine Highlights boten mit der „Shark Warrior“ mitschwimmende Delfine und ein Wal, dessen Blow und Abtauchen wir aus der Ferne beobachten konnten.
Der Tag war anstrengend. Gegen 18.30 Uhr erreichen wir nach mehr als 12 Stunden wieder den Hafen von Port Lincoln. Wir sind alle unendlich durchgefroren. Der Wind auf See hat sein Übriges getan. Die Tour wird zusammengefasst, jeder geht seines Weges. Und der eine oder andere geht im Kopf bereits die Möglichkeiten durch, seinen Hut nochmals in den Ring – oder hier eben den Käfig – zu werfen. Vielleicht nicht morgen, aber irgendwann, irgendwo bestimmt. Auch wir werden dem „Great White“ noch eine Chance geben… da sind wir ziemlich sicher, denn ein Schwergewicht fehlt nach dem heutigen Tag dann leider eben immer noch…
Resümee
Eigentlich alles perfekt, nur dass der Protagonist ausgefallen ist. Was haben wir mitgenommen?
Nun, einen weißen Hai anzulocken scheint (leider) schwieriger, als gedacht. Unsere Crew hat wirklich viel unternommen, ausreichend Vibrationen ins Wasser zu jagen. Von „Iron Man“ von Black Sabbath bis „TNT“ von AC/DC war alles aus einer gefühlt 40-jährigen Rockgeschichte dabei. Der Bass ließ im Haikäfig den Brustkorb vibrieren. Rasseln und Bojen mit langen Kordeln wurden abwechselnd auf die Wasseroberfläche geschlagen, damit das maximale Platschen das Interesse des großen Räuber wecken und ihn in Käfignähe locken könnte.
Das Tauchen im Haikäfig ist nicht sonderlich anspruchsvoll. Kaltwasser-equipt mit einem 7mm-Neoprenanzug, einer Neoprenkapuze, Neoprenschuhen und einem sehr gewichtigen Bleigürtel, der einen unweigerlich auf den Boden des Käfigs zieht, taucht man mit Atemregler zur Sauerstoffversorgung ab in die blaue Tiefe. Der Haikäfig selbst schwimmt, und ragt somit mit der oberen Umrandung aus dem Wasser heraus. Der Boden ist ebenfalls aus geflochtenem Metall durch das man hindurchsehen kann, damit man den großen Weißen auch im Fall der Fälle von unten kommen sieht. Am Käfigboden ist zudem eine lange Stange als Schiene befestigt, unter die man die Füße haken sollte, um von der Hochseeströmung im Käfig nicht hin und her geworfen zu werden. Die Strömung im Käfig ist tatsächlich nicht zu unterschätzen. Sie ist sehr kalt und will man seine Position im Käfig wechseln, sollte man sich zwingend an der innen im Käfig verlaufenden Reling festhalten, da man unten die Füße lösen muss. Arme oder auch nur Kameras aus dem Käfig zu halten ist strengstens verboten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Weißer Hai in den Käfig beißt. Dies dient in der Regel dem „Abtasten“ des ins Interesse gefallenen Objektes. Da ein Weißer Hai nur nach vorn und nicht rückwärts schwimmen kann, kann es passieren, dass er den Käfig touchiert, wenn er nicht rechtzeitig abdreht. Zumindest hierfür sollte man die Füße unten im Käfig verhaken.
Länger als 20-25 Minuten hält man es in 14-15 Grad kaltem Wasser allerdings auch nicht aus, bis der ganze Körper vor Kälte zittert. An Deck hofft man sehnlichst auf Sonne, um sich möglichst schnell aufzuwärmen. 18 Grad Außentemperatur sind hart, wenn man völlig durchgefroren ist und den schweren Neoprenanzug auch nur bis zur Hüfte auszieht, um bereit zu sein, für ein weiteres, hektisches Abtauchen. Heiße Suppe half uns ein wenig über die Zeit. Sophie hat viel geschlafen an Board, während alle stundenlang gespannt die Wasseroberfläche fixierten. Mit ihr konnten wir jedoch auch bequem „auf trockene Art und Weise“ auf den großen weißen Hai warten. Die „SharkWarrior“ hat nämlich einen Sub, in dem man völlig trocken hinter dem Hai-Käfig die Szenerie unter Wasser beobachten kann. Auch ein Pluspunkt für den Anbieter „Adventure Bay Charters“.
Vielen Dank an Matt und seine Crew. Vielleicht irgendwann nochmals auf ein Neues!
KISS – Einen Tag nach uns und auch erfolglos!
Der Sänger der amerikanischen Band KISS ist krank. Die gesamte Australientour wurde abgesagt – alle Konzerte, bis auf eines! Das an Board der „Shark Warrior“ genau einen Tag nach unserem Ausflüg zu den Neptune Islands. Rock für den „Great White“ also. Eine Handvoll Fans durfte den Spaß miterleben. Eine lustige Werbeaktion, wenngleich selbst Live-Musik den großen Räuber nicht an den Käfig locken konnte.
Schreibe einen Kommentar