Gelandet! Nach einer Anreise mit chaotischen Zuständen im Transit von Kuala Lumpur sind wir mit gut einer Stunde Verspätung in Nepals Hauptstadt angekommen. Bereits am Flughafen von Kathmandu empfängt uns dann allerdings das nächste (hier wohl normale) Chaos. Die Flughafenhalle gleicht einem indischen Basar – ein unüberschaubarer Menschenauflauf aus ankommenden Passagieren, wartenden Angehörigen, unendlich vielen Gepäcktrolleys und gefühlt ebenso vielen offenbar privaten Personen, die in der ohnehin völlig überfüllten Halle auch noch „helfen“ wollen, um sich ein bisschen Geld hinzuzuverdienen.
Wir versuchen uns zunächst zu den „Einreiseautomaten“ für das Vor-Ort-Visum durchzukämpfen. Für Nepal braucht man zwar ein Visum, dieses muss jedoch nicht vorher beantragt werden, sondern wird bei Einreise ausgestellt und in den Pass geklebt! Auch gut zu wissen gewesen wäre, dass man die Visa-Gebühr bei der Einreisebehörde nicht mit Karte oder nepalesischer Rupie zahlt, sondern hier offensichtlich allein „harte“ Währungen „in cash“ erwartet werden. Unsere Kreditkarte wird durch den Beamten am Schalter mit einer Handbewegung abgelehnt. Nur Bargeld sei erwünscht, vorzugsweise natürlich US-Dollar. Da wir selbige nicht in dem erforderlichen Umfang dabei haben, bezahlen wir mit den bei uns noch vorrätigen Australischen Dollar. Diese werden „akzeptiert“. Es wurde bei dem ganzen Prozedere zu unserem Ärgernis natürlich auch sehr großzügig umgerechnet. Erklärt wird diese Praxis nicht und wir haben auch heute noch keine plausible Begründung in Erfahrung bringen können.
Ein erster Lichtblick folgt: Das Gepäck ist vollständig da und auch unser „Gastgeber“ Rabi wartet wie vereinbart vor der Ankunftshalle, um uns mit zu sich nach Hause zu nehmen. Wir steigen also im Dunkeln in einen etwas in die Jahre gekommenen Minibus und los geht die nächtliche Fahrt durch Kathmandus Verkehrschaos und Schlaglöcher, vorbei am Königspalast und am noch hell erleuchteten Stadtteil Thamel bis zum Wohnhaus von Rabi und Kopila.
Unsere Gastfamilie
Rabi und Kopila betreiben eine AirBnB-Unterkunft in Kathmandu, circa 15 Gehminuten entfernt vom Touristen-Stadtteil Thamel. Die Unterkunft ist einfach, für unsere Belange jedoch völlig ausreichend. Kopila arbeitet in einer Montessori-Vorschule direkt in der Nachbarstraße zum Wohnhaus und übernimmt zudem noch die Bürotätigkeiten für ihren Mann Rabi, der mit einem kleinen Reiseführer-Gewerbe in Kathmandu selbstständig ist. Die Unterkunft ist für uns bereits dadurch ein Glücksgriff, dass Kopila und Rabi zwei Kinder haben, von denen Raja ungefähr in Sophies Alter ist, die vorerwähnte Vorschule besucht und Sophie herzlich eingeladen wurde, am Vorschlualltag teilzunehmen.
Mit uns wohnen also noch Raja (4) und dessen ältere Schwester Anna (11) sowie Rabis Vater, ein für uns uralter Nepalese unbekannten Alters, der zwar stets und ständig hinter uns herschlappt, mit dem eine Kommunikation jedoch aufgrund der vorhandenen Sprachbarriere und des fortgeschrittenen Alters nicht wirklich möglich ist. Dem Alter wird in Nepal – so wie wir es in unserer nepalesischen Familie erleben – im Übrigen enormer Respekt gezollt. Rabis Vater wird bekocht und gepflegt, man erhebt sich, wenn er kommentarlos in den Raum schlurft und setzt sich erst, wenn auch er Platz genommen hat.
Mit Rabi als lokalen Trekking- und Reiseplaner konnten wir zudem gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Bereits aus Deutschland haben wir mit ihm eruiert, welche Touren mit einem 5-jährigen Kind möglich sind, ob es Probleme mit den Entfernungen und der Höhe geben kann und wie wir Sophie im Himalaya von A nach B getragen bekommen, wenn sie nicht mehr laufen möchte oder kann.
Kathmandu nach einigen Tagen – Unser erster Eindruck
Kathmandu ist – wie bereits erwähnt – ein riesiger Schmelztiegel. Die großen und alles beherrschenden Themen während eines Aufenthaltes im Kathmandu-Tal sind neben den zahlreichen Sehenswürdigkeiten sicherlich die Luft, der Verkehr, die Sicherheit und der (leider) enorme Müll.
Wie erwartet und zuvor oft gelesen, gehört Kathmandu zu den Städten mit der höchsten Smogbelastung und Luftverschmutzung weltweit. Entsprechend staubig und verkehrsreich sind alle Straßen hier. Dies sollte man wissen, wenn man nach Kathmandu reist. Viele Leute tragen Atemmasken. Wenn man sich ein paar Stunden durch die Straßen bewegt hat, hat man tatsächlich das Gefühl, eine Pause von all den Abgasen, Gerüchen und Staubpartikeln in der uft zu benötigen. Die Reisezeit im Herbst ist dabei bereits günstig, da die bis dahin anhaltende Regenzeit einen Teil der Partikel aus der Luft gewaschen und damit zur Luftverbesserung beigetragen hat.
In Kathmandu eine größere Straße zu überqueren ist zudem gefährlich. Ampeln für Fußgänger oder Überwege gibt es ebensowenig wie erkennbare Fahrspuren oder Verkehrsschilder. Zur Beschreibung der nepalesischen Fahrweise fällt uns eigentlich auch nur ein Wort ein: verrückt! Es gibt weder erkennbare Regeln noch staatlich gepflegte Straßen. Die meisten Straßen haben keine geschlossene Asphaltdecke, sondern vielmehr tiefe Löcher und Risse und sind extrem staubig. Es ist tatsächlich ein wahrhaftes Verkehrschaos. Es wird geschoben, gedrängelt und gehupt. Oftmals staut sich der Verkehr kilometerlang in alle Richtungen, Abbiegen ist dann fast unmöglich und wird Kotflügel an Kotflügel unfallprovozierend erzwungen. Dass es hier nicht zu noch mehr Blechschäden kommt, ist für uns ebensowenig erklärlich wie gleichfalls faszinierend. Auch Fußwege sind kaum vorhanden oder so schmal, dass man eher balancieren, als beidbeinig darauf laufen kann. Da der Import von Autos, wie uns Rabi berichtet, in Nepal enorm hoch besteuert wird, ist ein Neuwagenkauf nur für einen Bruchteil der Bevölkerung erschwinglich. Die meisten Einheimischen fahren daher Motorrad, was die Verkehrssituation nicht wirklich verbessert, sondern eher noch verrückter macht. Rabi warnt uns bereits zu Beginn, immer hart an den Hauswänden zu laufen. Und tatsächlich streifen uns ab und an Auto- oder Motorradspiegel. Sophie läuft daher ausschließlich an unserer Hand und immer zwischen uns und der Hauswand. Autovermietungen gibt es nicht, zumindest haben wir keine gesehen. Es wäre wahrscheinlich aber auch mehr oder weniger lebensmüde, hier selbst ein Auto steuern zu wollen. Man ist daher innerstädtisch auf Taxen oder private Fahrer angewiesen. Auch die Rikscha kann als beliebtes Fortbewegungsmittel für Kurzstrecken genutzt werden.
Hinsichtlich der Sicherheit in Kathmandu sind wohl weltweit gültige Vorsichtsmaßnahmen notwendig, aber auch ausreichend. Wir können nicht sagen, dass wir uns in nur irgendeiner Situation tatsächlich unwohl gefühlt haben. Allerdings sind wir auch auf das Reisen in ärmeren Ländern eingestellt und tragen keinerlei Schmuck, Uhren oder andere Wertsachen (mit Ausnahme unserer Kameras) offen zur Schau. Dies wäre in einem Land wie Nepal tatsächlich auch sehr deplatziert. Uns wurde auch gesagt, dass man in Thamel ebenso abends problemlos spazieren gehen kann. Wir haben uns bei Anbruch der Dunkelheit allerdings bereits meist in unserer Unterkunft befunden, wenn wir nicht mit unserer Gastfamilie unterwegs waren.
Die Müllbeseitigung oder vielmehr überhaupt das Gefühl, mit Müll umzugehen, ist ein großes Problem in Kathmandu. Wir müssen sagen, dass wir wirklich an manchen Stellen geschockt waren, wie die Straßen und Gassen aussehen. Hinzu gesellt sich das Problem mit Ratten. Unabhängig davon, dass aus religiösen Gründen vor vielen Haustüren Teller mit angerichteten Lebensmitteln stehen, ist auch der an allen Ecken weggeworfene Müll Nährboden für Ungeziefer jeder Art. Man schafft das Problem somit mehr oder weniger selbst. Mir ist es zweimal passiert, dass ich mitten in Kathmandu aus Versehen auf etwas plattes, weiches getreten bin. Bei näherem Hinsehen handelte es sich dabei jeweils um plattgefahrene Ratten. Auf Flipflops habe ich seit dem ersten Erlebnis dieser Art in Kathmandu verzichtet und bin vorzeitig auf meine Trekking-Schuhe umgestiegen.
Auch wenn sich alle Nepalesen, die auch nur in irgendeiner Form etwas mit Tourismus und/oder Gastronomie zu tun haben, unglaublich aufopfernd darum bemühen, Durchfallerkrankungen von ihren Gästen fernzuhalten, so sind doch die hygienischen Zustände „vor der Haustür“ oft haarsträubend und für uns als Reisende mit Kind so ziemlich jeden Tag eine absolut ernstzunehmende Herausforderung.
Ein echter Kulturschock, nachdem wir direkt davor einen Monat durch Japan, eines der wohl saubersten und aufgeräumtesten Ländern der Welt, gereist sind!
Die Gastfreundschaft
Neben allen Unzulänglichkeiten in Kathmandu, die auch uns zu dem Schluss kommen lassen, dass man hier keinen mehrwöchigen Aufenthalt einplanen muss, darf die große Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Nepalesen nicht unerwähnt bleiben. Wir sind in unserer Gastfamilie äußerst herzlich aufgenommen worden. Man versucht wirklich, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Teller werden nach dem Abwaschen penibel trockengeputzt, damit keinerlei Leitungswasser mit der Nahrung in Berührung kommt. Ein großer Kanister abgekochtes/aufbereitetes Wasser steht stets gefüllt in der Küche unserer Wohnung bereit.
Aber auch auf der Straße schlägt uns große Gastfreundschaft entgegen. Es sind die vielen Kleinigkeiten, in einem Land, das materiell wenig geben kann und durch das schwere Erdbeben 2015 zusätzlich so viel verloren hat. Von der Reis-Anrichtung auf dem Teller in Herzform mit einem großen Lächeln der Kellnerin bis zum kleinen Straßenjungen, der Sophie stolz mit auf seine selbstgebaute Schaukel nimmt und sie gefühlt stundenlang anschubbst, obwohl die halbe Nachbarschaft bereits ungeduldig ansteht. Es sind eben die kleinen Dinge, die zählen und die Begegnungen so wertvoll und unvergesslich machen.
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