Unser nächstes Ziel in Nepal: das „Terai“.
Die riesige Dschungel-Ebene, die sich von Indien über Nepal bis nach Bhutan erstreckt. Heiß und schwül, undurchdringbare Wälder – das echte Dschungelbuch-Feeling mit Elefanten, Sumpfkrokodilen, Gavialen und riesigen Würgeschlangen. Wir wollen uns auf die Suche begeben nach den letzten Panzernashörnern der Welt und den ebenso stark bedrohten Königstigern, die hier in den Tiefen der Nationalparks leben und nicht allzu selten den dortigen Dörfern ungewollt zu nahe kommen. Wir sind gespannt auf diese ganz andere Seite Nepals.
Anreise mit Buddha-Air
Nach unserer anstrengenden Trekking Tour ins Basislager des Annapurna I fliegen wir mit „Buddha Air“ von Pokhara nach Bharatpur an die indische Grenze, um dort noch eine gute Woche im Chitwan National Park auf Safari zu gehen und uns von der anstrengenden Himalaya-Wanderung zu erholen.
Die Anreise ins Terai war während unseres Aufenhaltes im Himalaya zunächst noch offen. Nach unseren Erfahrungen auf der Fahrt von Kathmandu nach Pokhara entscheiden wir uns nun in Pokhara spontan für den Luftweg, um etwaigen weiteren Straßenblockaden zu entgehen und uns insgesamt nicht noch einmal den Überlandstraßen Nepals auszusetzen.
Bereits der Check-in hat erheblich Verspätung. Die Sicherheitskontrollen sind nach Mann und Frau getrennt und erfolgen in einer muffigen Kabine aus Vorhängen, in der eine Dame das gesamte Handgepäck durchwühlt. Anders kann man den Vorgang nicht beschreiben, da ohne erkennbaren Grund Gegenstände herausgeräumt, zur Seite sortiert und letztlich mit einem strengen Blick doch wieder ihren Weg zurück in die Tasche finden dürfen. In der sich anschließenden Abflughalle mit 3 unübersichtlichen „Gate“-Türen warten hunderte von Menschen, Bodenpersonal ist quasi nicht vorhanden, es herrscht ein Informations-Chaos. Wir sind wieder auf dem vielzitierten „indischen Basar“. Keiner kann helfen, alle versuchen hektisch, ihren Abflug ausfindig zu machen. Man stolpert über Taschen und Rucksäcke. Eine vergilbte Anzeigetafel listet die heutigen Abflüge mit den originären Departure-Zeiten auf. Auch hinter unserer Flugnummer steht nach wie vor die eigentlich vorgesehene Ablfugzeit, die mittlerweile fast 2 Stunden zurückliegt. Es beginnt das lange Warten. Weit darf man sich auch nicht von den Türen entfernen, da die (durchweg verspäteten) Flüge ohne erkennbare Reihenfolge aufgerufen werden. An den Anzeigetafeln zumindest bewegt sich gar nichts. Auch wenn die nationalen Flüge innerhalb Nepals daher genauso chaotisch abzulaufen scheinen, wie es der Straßenverkehr tut, und man ohne Ausnahme erhebliche Verspätungen in Kauf zu nehmen hat, können wir der knatschigen Lautsprecherdurchsage nach fast 3 Stunden unkommentierter Verspätung dann endlich unsere Flugnummer entnehmen. Das kleine Flugzeug rollt vor, ein Mann winkt wild die ca. 20 Passiere zusammen und ab geht es über die Startbahn Richtung indischer Grenze.
Wir hatten einfach auch wirklich Glück, diesen „Aufruf“ mitzubekommen, da uns zuvor niemand sagen konnte, ob und wann unsere Maschine abfliegen wird und es hierzu auch insgesamt keinerlei Informationen durch Aushänge oder Anzeigen gab. Mitunter fallen die Flüge auch tatsächlich ersatzlos aus, wie uns berichtet wurde. Wie häufig es bei dem Durcheinander am Airport Pokhara vorkommt, dass Passagiere ihr Flugzeug verpassen, einfach weil sie die leise und knarrige Durchsage rein akkustisch nicht verstehen oder aufgrund der unübersichtlichen Verspätungen gerade nicht in der Ablfughalle sind, können wir nur erahnen.
Einige Vorteile hat der Flug dann doch: Wir sitzen ganz hinten in der winzigen Maschine zu dritt auf einer Bank und genießen nochmals die Aussicht auf den Himalaya, dessen 7000- und 8000er Gipfel majestätisch durch die Wolken ragen.
Bharatpur und Sauraha
Gelandet in Bharatpur erhalten wir recht zügig unser Gepäck und werden von einem Mitarbeiter der von uns gebuchten Sapana-Lodge im Geländewagen abgeholt. In rund 30 Minuten erreichen wir das recht ländliche Sauraha, die „Ausgangsstation“ für so ziemlich alle Aktivitäten in den Chitwan National Park.
Die Sapana Lodge liegt leicht außerhalb Saurahas idyllisch in einer Ebene am Bhuti Rapti River. In Richtung Süden liegen die tiefen Wälder des Nationalparks, im Norden kann man bei guter Sicht die Umrisse des Himalaya erahnen. Der erste Eindruck ist grandios. Man könnte nach den zurückliegenden Wochen „der Entbehrung“ in Kathmandu und unserem Zu-Fuss-Abenteuer im Himalaya fast von Luxus sprechen.
Die Sapana-Lodge ist eine Öko-Lodge die mit ihren Einnahmen aus dem eigens beworbenen, nachhaltigen Tourismus das lokale Volk der Tharu unterstützt. Auf dem Angebots-Plan der Lodge stehen daher auch diverse Aktivitäten, die man im nahe gelegenen Tharu-Dorf wahrnehmen kann (z.B. landestypische Agrararbeit, hinduistische Zeremonien, Töpferkunst etc.). Da uns mehr an den „tierischen“ Abenteuern gelegen ist, beschränken wir unsere Ausgaben hierauf und sind damit auch äußerst zufrieden. Sophie ist eine Woche lang mit der täglichen Pflege und Fütterung der lodge-eigenen Elefanten beschäftigt. Zudem gehen wir auf Flusssafari im „East Rapti River“ der im weiteren Verlauf in Indien in den Ganges mündet. Eine morgentliche Fußsafari mit Elefanten durch die Flussebene bringt uns die Arbeit der Mahouts näher und zu guter letzt folgt mit einer Ganztagessafari in den Tiefen des Chitwan National Parks das Highlight unseres Dschungelaufenthaltes.
Bewaffnet sind wir – neben unserer täglich einzunehmenden Malaria-Prophylaxe – im Übrigen mit allen erdenklichen Moskito-Abwehrmitteln. Die Dengue-Fieber-Infektionen sind – wie uns bereits Rabi und Kopila in Kathmandu erzählen – in diesem Jahr sehr hoch. Der Erwerb weiterer Sprays war bereits in Kathmandu nicht mehr möglich, weshalb wir uns in Pokhara noch einmal mit den noch erhältlichen Mitteln eingedeckt haben. Diese stammen bereits aus Indien, da hier offensichtlich Lieferengpässe bestehen.
Morgendliche Fußsafari mit Elefanten
Mit einem Kaffee bzw. einem Kakao im Bauch geht es noch vor dem Frühstück gegen 6.30 Uhr zum Sonnenaufgang per 4×4 ein Stück enlang des Bhuti Rapti River. Unser „Nature Guide“ Sanjaya führt uns dann zu Fuß samt zweier Elefanten durch das mannshohe Flussgras und erklärt die lokale Flora und Fauna, wobei sich die Erzählungen abseits des für sich schon interessanten Spaziergangs mit Elefanten vorrangig auf die heimische Vogelwelt und die im Fluss lebenden Krokodile fokusieren. Wir erfahren interessante Details aus der Arbeit der Mahouts und Geschichten über die Gefahren im Dschungel bzw. die nicht immer ungefährliche Koexistenz von Mensch und Krokodil bzw. Mensch und Tiger in den dem Dschungel angrenzenden Dörfern.
Die Fußsafari endet mit einem Frühstückspicknick auf Klapphockern inmitten der grasenden Elefanten um uns. Ein herrlicher Morgen!
Flusssafari auf dem Rapti River
Ebenso vor dem Frühstück geht es an einem weiteren Tag per traditionellem Einbaum-Kanu auf dem East Rapti River in den Sonnenaufgang immer entlang an der Waldgrenze zum Chitwan National Park. Die Tierwelt ist atemberaubend vielfältig. Wir entdecken Rotwild, ziemlich große Sumpfkrokodile und Gaviale, eine breite Auswahl an Reihern und Störchen, Kingfisher und wilde Pfaue. Als wir vom Kanu auf einer Flussebene abgesetzt werden und dort am Waldesrand auf unsere Abholung warten, beschleicht uns ein seltenes „Bitte schneller“-Gefühl – wurde uns zuvor anhand der Hufspuren im Flusssand doch erklärt, dass das Rotwild aus dem Wald nachts extra auf den sandigen Flussbetten übernachtet, um das Anschleichen eines Tigers bemerken zu können.
Safari im Chitwan National Park
Unserer Ganztagessafari im Chitwan National Park haben wir eine ganze Weile entgegengefiebert. Hierfür mussten wir uns auch einige Tage gedulden, da der Chitwan Park aufgrund der sich diesjährig weit nach hinten geschobenen Regenzeit (siehe unsere Himalaya Exkursion) zu unserer Ankunft im Terai noch nicht befahrbar war.
Doch nach den ersten Forstarbeiten kann es dann Ende der Woche endlich losgehen. Zusammen mit einem Ranger der Lodge und einem angeheuerten Fahrer geht es per 4×4 in den Nationalpark. Der Jeep ist offen und hat auch sonst keinerlei besondere Schutzvorkehrungen gegen das „Hereinspringen“ von Tigern. Abi (unser Ranger) erklärt uns auch gleich zu Beginn, dass ein Tiger, wenn er denn wollte, natürlich in den Jeep springen könnte, er so etwas aber noch nie erlebt habe. „Wie beruhigend“ denken wir uns und nehmen Sophie zu Beginn zunächst in die Mitte zwischen uns. Tatsächlich ist dies der erste Tag, an dem das Befahren der frisch präparierten 4×4-Pisten durch das Dickicht wieder erlaubt und möglich ist. Während der Regenzeit wächst der Dschungel alljährlich zu. Wege und Pisten sind nicht mehr befahrbar. Mit Schneidmaschinen werden die 4×4-Spuren nach dem Regen wieder freigelegt. Allerdings müssen auch wir an diesem Tag feststellen, dass noch nicht alle Wege wieder komplett befahrbar sind. Wir kehren mehrfach um, fahren uns zweimal mit dem Jeep im tiefen Schlamm fest und müssen fast immer mit den Unterarmen während des vorsichtigen Hindurchfahrens riesige Elefantengrashalme zur Seite schieben, um Schrammen im Gesicht zu vermeiden. Elefantengras schneidet äußerst schnell in die Haut und die Pisten sind an vielen Stellen noch erheblich zugewachsen. Ein wenig Abenteuerstimmung kommt hierbei auch dadurch auf, dass in dem schier undurchdringbaren Dickicht links und rechts der Wege anhand des eingedrückten oder gar niedergetrampelten Buschwerks deutlich zu erkennen ist, wo (größere) Tiere den Weg passiert haben. Oftmals kann uns Abi sagen, um welches Tier es sich hierbei wohl gehandelt haben könnte.
Der Jeep stoppt bereits nach wenigen Minuten das erste Mal, als Abi aus dem Augenwinkel heraus etwas am Wegesrand entdeckt: eine frische Tigerspur! Es sei ein weiblicher Tiger, der – dem Abdruck zufolge – erst vor wenigen Minuten den Weg passiert habe. Wir sind erheblich beeindruckt und ein wenig starr und rutschen im Jeep noch enger zusammen. Für das Foto des Tatzenabdrucks im nassen Schlamm steigt selbst Abi nicht aus dem Auto.
Unser Ranger Abi entpuppt sich im Laufe des Tages auch als absoluter Volltreffer. Er selbst sei mehr oder weniger im Dschungel aufgewachsen und könne Tiere in den noch so entlegensten Winkeln des Parks aufspüren. Dies habe er von seinem Vater gelernt. Er bleibt seiner Ankündigung im Laufe des Tages treu. Für uns eigentlich unvorstellbar kann Abi Tiere hören und (unbegreiflich) auch riechen. Er weiß, in welche Richtung sie den Weg passieren und wieviele es sein müssen. Unser anfängliches Schmunzeln, wenn er seine Hände zum besseren Hören an die Ohren legt oder seine Nase in den Wind hält, verwandelt sich in schiere Bewunderung und wir feiern jedes Tier, dass er auf so unglaubliche Art im Dickicht entdeckt.
Unser Mittagsessen nehmen wir sicherheitshalber auf einem Hochsitz ein – man weiß ja nie…
Auf unsere Nachfrage, wie oft Abi eigentlich Tiger im Dschungel sieht, meint er, ungefähr aller 3-4 Tage. Er kenne die entsprechenden Stellen, es sei jedoch auch immer etwas Glück dabei. Insbesondere nach dem Regen stehe das Gras so hoch wie sonst nie im Jahr und man müsse das Glück haben, einen Tiger „auf dem Weg“ zu erwischen. Im Dickicht werde man ihn sonst nicht entdecken. Wir halten noch einmal im Laufe des Tages, als Abi einen Tiger im Gebüsch vermutet, der sich jedoch nicht auf dem Weg zeigt.
Nach den so seltenen Panzernashörnern suchen wir an diesem Tag ebenfalls sehr lange. Es ist bereits später Nachmittag als Abi den Fahrer mit einem Tippen auf die Schulter stoppt. Ein Panzernashorn bahnt sich den Weg durch das hohe Elefantengras. Abi erklärt uns, im Gebüsch sei noch ein weiters, das wir aber selbst erhöht aus dem Jeep heraus nicht sehen können. Als das Nashorn dem Jeep dann doch sehr nahe kommt, lässt unser Fahrer vorsichtshalber bereits den Motor an, aber es dreht gemütlich kauend ins Gebüsch ab. Ein sehr beeindruckendes Erlebnis, ein so stark bedrohtes Tier heute doch noch in seiner natürlichen Umgebung sehen zu können!
Der krönende Abschluss unserer Tour ist eine ca. 5m lange Felsenphyton, die Abi urplötzlich links im Baum entdeckt. Hierauf war er – glauben wir – selbst ein bisschen stolz!
Und zum Schluss spielt die Püppi auch noch mit einem herbeigelaufen Wildschwein aus dem Wald… Mamis Nerven lagen blank!
Alles in allem ein tolles Erlebnis – wie im Dschungelbuch!
Sophie und die Elefanten
Was sollen wir hierzu sagen? In Indien und Nepal ist es ziemlich normal, mit freilaufenden Elefanten zu „interagieren“. Sophies Augen leuchteten damals bereits in Deutschland, als wir ihr erzählten, dass die Sapana-Lodge eigene Elefanten habe und sie sich ggf. ab und an um deren „Wohlbefinden“ kümmern könne. Was man für diese Interaktion mitbringen muss? Absolutes Vertrauen zum Tier; insbesondere, wenn es um das eigene -in unserem Fall auch völlig angstfreie – Kind geht. Aber seht selbst:
Sophie war eine Woche lang in ihrem Element: Elefanten baden und mit Steinen abschrubben, Elefanten füttern, mit Elefanten spazieren gehen und letztlich (als besondere Ausnahme für den kleinen, großen Fan) auch einmal drauf sitzen und reiten. Dass das Ganze im und am Rapti River stattfand, in dem 3-4m große Sumpfkrokodile leben, haben wir als Eltern des Öfteren einfach ausblenden müssen.
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